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Der Anbau

Hier findet Ihr einen Überblick darüber, was den Anbau in der Gemüserei auszeichnet.

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Ohne Bodenbearbeitung

Ressourcen schonen und Klima schützen!

Ob zur Vorbereitung des Saatbeets, zur Einarbeitung von Pflanzresten oder zur Unkrautkontrolle: Der Gemüseanbau ohne Bodenbearbeitung ist unmöglich. So scheint es zumindest.

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Im gewerblichen Acker- bzw. Gemüsebau sind Maschinen zur Bearbeitung des Bodens kaum wegzudenken. Was hier der Traktor mit Pflug und Fräse übernimmt, wird aber auch im Hausgarten von Hand praktiziert. Jedes Jahr aufs Neue werden die Beete fleißig umgegraben und gehackt.

Was all diese Praktiken – in unterschiedlichem Ausmaß – gemeinsam haben, ist, dass sie zum einen viel Energie kosten und zum anderen das für das Pflanzenwachstum so wichtige Bodenleben stören und, im schlechtesten Fall, zerstören.

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Was international, vor allem im Ackerbau, unter dem Begriff „no-till“ und im kleinstrukturierten Gemüsebau eher unter dem Begriff „no-dig“ bekannt ist und auch in der Gemüserei praktiziert wird, ist der Versuch, das Leben und die immense Artenvielfalt unter der Erde zu respektieren, zu erhalten und im besten Fall aufzubauen.

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Ein gesunder Boden ist voll von kleinsten, kleinen und größeren Organismen, die alle ihren Platz im Boden-Nahrungsnetz haben. Ein Teelöffel Erde kann mehr Mikroorganismen enthalten, als es Menschen auf der Welt gibt. [1] [2] Um diese nicht zu (zer-)stören, wird bei uns im Anbau in Gänze auf Maschinen [3] und weitestgehend auf Bodenbearbeitung verzichtet – eine Blatt- oder Drahthacke kommt natürlich trotzdem mal zum Einsatz, wenn wir verhindern wollen, dass die Beikräuter überhandnehmen.

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Wichtiger Bestandteil dieser Anbaustrategie: der für das Pflanzenwachstum so wichtige Kohlenstoff wird im Boden erhalten oder gar aufgebaut. Verzichtet man auf Traktor, Pflug und Fräse, verhindert man den Verlust von Kohlenstoff im Boden, der in Form von CO2 in die Atmosphäre gepustet wird. Der Anteil an Treibhausgasen, der durch Landwirtschaft weltweit freigesetzt wird, aber auch das Potenzial, das mit veränderten Praktiken einhergeht, ist nicht zu vernachlässigen.[4] [5]

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Insbesondere die mit den Pflanzenwurzeln in Symbiose lebenden Mykorrhiza-Pilze, die durch häufiges und intensives Bearbeiten des Bodens in Mitleidenschaft gezogen werden, können einen großen Teil des Bodenlebens ausmachen und sind damit eine wichtige – oft nicht beachtete – Kohlenstoffsenke und damit Helfer im Kampf gegen den Klimawandel. [6]

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Wir schonen Ressourcen also nicht nur dadurch, dass wir nicht – oder zumindest weniger – von fossilen Brennstoffen abhängig sind (dazu unten mehr). Wir schützen zusätzlich das Klima und die Umwelt, indem wir auf Bodenbearbeitung verzichten und damit, wenn auch zunächst nur „im Kleinen“, die Kohlenstoffspeicherung im Boden anregen.

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Glücklicher Nebeneffekt: die Gärtner*innen bleiben dabei fit und gesund. Viel Bewegung bei niedriger Intensität und gutes, nährstoffreiches Gemüse direkt vom Feld. [7]

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Ohne Chemie

Für eine lebendige Zukunft. Über und unter der Erde!

In der Gemüserei Heidelberg verstehen wir den Gemüsegarten als lebendiges Ökosystem.

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Aus diesem Grund ist ein weiteres zentrales Anliegen der Gemüserei – so weit im Kontext des Gemüsebaus möglich – Komplexität aufzubauen und damit aktiv einen Beitrag zum Umwelt- und zum Artenschutz zu leisten.

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Auch wenn die Gemüserei (noch) nicht Bio-zertifiziert ist, versteht es sich entsprechend von selbst, dass wir keine Pestizide, Herbizide oder Insektizide zum „Schutz“ der Gemüsekulturen einsetzen.

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Stattdessen unternehmen wir den Versuch, zum Beispiel durch Blüh- und Baumstreifen (Agroforst), Lebensräume zu schaffen für Nützlinge und Insekten, die diesen Schutz übernehmen sollen (und können). Zusätzlich arbeiten wir mit Insektenschutznetzen, die über den Kulturen gespannt werden, um Schadinsekten von den Kulturen fernzuhalten.

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Diese Strategien werden nicht unbedingt sofort, und vor allem nicht immer funktionieren. In Anbetracht eines zunehmenden Artensterbens und dem Verlust von Biodiversität kann die Alternative aber nicht das Gift sein, von dem wir mittlerweile wissen, dass es Insekten, Bodenleben und aller Wahrscheinlichkeit nach auch uns schadet und für dessen Produktion und Transport riesige Mengen fossile Brennstoffe nötig sind.[8]

Wir verzichten außerdem auf chemisch-synthetische Düngemittel. Ja, Pflanzen wachsen schnell, wenn man sie mit diesen Mitteln düngt. Nachhaltig ist das Ganze aber nicht. Ohne fossile Brennstoffe ist auch in diesem Fall weder die Produktion,  noch der Transport oder die Anwendung dieser Mittel möglich. Aber auch im Boden führt deren Anwendung potenziell zu Problemen. Neben Stickstoffauswaschungen ist die Anwendung auch deshalb ein Problem, da sie die uralte Symbiose zwischen Pflanzen, Pilzen und anderen Organismen unterbrechen kann, die für ein gesundes Pflanzenwachstum aber zentral ist.

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Verzicht also? Mitnichten. Für die Gemüserei bedeutet das mehr Unabhängigkeit. Mehr Unabhängigkeit und damit Krisenfestigkeit, die für Dich den Vorteil hat, dass unsere Kosten und damit die Gemüsepreise weniger schwanken.

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Biointensiver Anbau und Marktgärtnerei

Mit Pflanzen, Mulch und Gemeinschaft für eine bessere Zukunft

Deutschlandweit gibt es immer mehr Marktgärtnereien, die sich mittels minimalinvasiver Methoden – häufig unter dem Banner regenerativer Landwirtschaft – für Klima- und Umweltschutz einsetzen.

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Wir verstehen darunter vor allem einen sehr intensiven Anbau auf klein(st)er Fläche, bei dem wir uns Pflanzenwachstum und Mulch zu Nutze machen, um Bodenleben zu ernähren, Boden aufzubauen, Wasser zu sparen und weniger Zeit mit Beikraut-Kontrolle verbringen zu müssen.

Da wir auf Traktoren und andere Maschinen verzichten, können wir …​

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  1. die Beete eng und dauerhaft bepflanzen.

  2. den Boden mehr oder weniger konstant mit lebenden Pflanzen bedeckt halten.

  3. engere Pflanzabstände wählen, die für ein verbessertes Mikroklima und weniger Beikraut sorgen.

  4. eine höhere Diversität an Pflanzen auf kleinem Raum erreichen, die ebenfalls zur Speicherung von Kohlenstoff im Boden beizutragen scheint [9] und sowohl über, als auch unter der Erde für wertvolle Nahrung sorgt.

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Wir ziehen außerdem die eigenen Jungpflanzen vor. Das hat den weiteren Vorteil, dass diese sich gegen das Beikraut besser durchzusetzen können. Sobald die „lebende Mulchdecke“ durch die Pflanzen groß genug ist, keimen schon nicht mehr so viele unerwünschte Pflanzen.

 

Die Nutzung größerer Mengen von Grünschnittkompost als Mulch dagegen spart Wasser, füttert das wertvolle Bodenleben und macht das Beikraut jäten zum Kinderspiel. Da das organische Material langsam von verschiedensten Mikroorganismen zersetzt und in den Boden eingearbeitet wird, dient uns das Mulchmaterial gleichzeitig als Langzeitdünger. Erst wenn das Bodenleben seine Arbeit getan hat, sind die zentralen Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar! Keine schnelle Lösung, dafür aber eine Boden-, Klima- und Umweltschonende.

 

Aber nicht nur die Gemeinschaft im Boden hilft uns beim Anbau. Auch ihr könnt mit eurer Beteiligung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass diese Form der Landwirtschaft eine Chance hat. Die wenigsten, so zumindest meine Vermutung, wollen unbedingt Gift spritzen oder schlechte Löhne bezahlen. Leider sehen sich viele durch Marktzwänge oder andere externe Einflüsse dazu genötigt.

 

Vielleicht ist es im Lichte aktueller Entwicklungen weltweit an der Zeit, (nicht nur) Landwirtschaft neu zu denken und neu zu machen. Als Gemeinschaft. Mit Gemeinschaft. Für eine bessere Zukunft.

  1. Vgl. https://www.nrcs.usda.gov/Internet/FSE_DOCUMENTS/stelprdb1101660.pdf, Zugriff am 10.10.2022.

  2. In jedem Fall sind es sehr, sehr viele: https://www.nature.com/scitable/knowledge/library/what-are-soils-67647639/; https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/bodenbelastungen/verlust-der-biodiversitaet-im-boden#der-boden-lebt,  Zugriff am 10.10.2022.

  3. Mit Ausnahme eines größeren Rasenmähers.

  4. Vgl. https://www.ipcc.ch/2019/08/08/land-is-a-critical-resource_srccl/.

  5. https://www.nature.com/articles/s41893-020-0491-z.epdf?sharing_token=ddxBMIXDUgIY5sRdTbX_t9RgN0jAjWel9jnR3ZoTv0OXd4xJTpZB11etoufMTqPCezre_HA6nahCtbUTGbkHZZdn0nGGc98MXiNrp4omKbIv9NRLHMfNR4eAMUq_yG1F8uL1KP95g2DxxyMrXnjL2xjQLDbeJzewsnuO4wyKc_SZxHy0If8OUuJBhCIS88elmNgdi9er1F42tOK2yZdmUA%3D%3D&tracking_referrer=www.bbc.com, Zugriff 10.10.2022.

  6. https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/nov/30/fungi-climate-crisis-ally, Zugriff am 10.10.2022.

  7. Siehe Montgomery et al. 2022 für einen guten (und wie ich finde plausiblen) Beitrag zum Thema „Anbaumethoden und Nährstoffdichte“: https://peerj.com/articles/12848/. Ebenfalls spannend, lesenswert und ausführlicher ist ihr Buch „What Your Food Ate. How to Heal Our Land and Reclaim Our Health“ (2022).

  8. Für einen guten Überblick und interessante Informationen zum Thema siehe hier: https://www.boell.de/de/pestizidatlas, Zugriff am 10.10.2022.

  9. Vgl. Chen et al. 2017: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1700298114#:~:text=Our%20findings%20have%20important%20implications,of%20plant%20diversity%20and%20productivity.

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